Naturschutzverein nach 72 Jahren aufgelöst
Nicht genügend Nachwuchs für die Unterhalts- und Vorstandsarbeiten
Mit einem Abschiedsessen wurde kürzlich die Auflösung des Naturschutzvereins Gossau und Umgebung nach 72 Jahren Vereinsgeschichte besiegelt. Die Naturschutzgebiete des Vereins wurden mit einer Schenkung der Pro Natura vermacht.
Vereinsauflösung «Wir haben nicht mehr genügend Nachwuchskräfte gefunden, um die strengen Unterhaltsarbeiten in unseren Gebieten zu tätigen. Auch für die Vorstandsarbeit fanden sich keine Interessenten», erklärt Manuel Bühler, der sich 2018 bereit erklärte, das Vereinspräsidium zu übernehmen, als der Verein bereits unter dem fehlenden Nachwuchs litt. «Wir haben in den letzten Jahren einiges versucht, um neue Mitglieder zu gewinnen», erzählt Bühler und verweist auf Exkursionen oder die Brutkastenaktion in der Schule. Teils Anlässe seien gut besucht worden und es sei auch gelungen, das eine oder andere Neumitglied zu gewinnen. «Aber niemand war bereit, sich fest zu verpflichten und beispielsweise ein Amt im Vorstand oder die Verantwortung für regelmässige Gebietspflege zu übernehmen», erzählt Bühler. Zwar habe der Verein bei seiner Auflösung noch rund 180 Mitglieder gehabt, aber die meisten seien «nur» Beitragszahler gewesen. «Das ist auch wichtig für einen Verein. So hatten wir nie finanzielle Probleme. Doch die personellen Engpässe zwangen uns nun zur Auflösung», so Bühler.
Freiwillige weiterhin willkommen
Von den sechs Vorstandsmitgliedern hätten drei ihren Rücktritt angekündigt, Personen für die Nachfolge seien keine gefunden worden. Und der Altersdurchschnitt der rund zehn Mitglieder, die ab und zu bei Unterhaltsarbeiten ausgeholfen hätten, sei Jahr für Jahr gestiegen. Und so habe man an der Hauptversammlung im letzten März die Vereinsauflösung und die Übergabe der Gebiete an die Pro Natura beschlossen. «Jene Mitglieder, die 30 oder 40 Jahre mitwirkten, hatten mit dem Entscheid sicher mehr zu kämpfen, aber letztlich sehen wir die positive Seite der guten Nachfolgelösung», erklärt Bühler. Die Pro Natura sei professionell aufgestellt und werde die rund fünfeinhalb Hektaren Land im Sinne des Naturschutzes bewirtschaften. «Und wer in den Gebieten freiwillig Unterhaltsarbeiten leisten will, darf dies auch unter neuer Führung weiterhin sehr gerne tun», hält Bühler fest.
Schutzverordnung von 1982
Bühler betont ausserdem, es sei nicht selbstverständlich, dass sich die Pro Natura von Anfang bereit erklärt habe, die Gebiete zu übernehmen. Zu diesen zählen das Moor Eichenmoos mitten in Gossau und das Biotop in der Arnegger Witi. Daneben besass der Naturschutzverein Gossau und Umgebung kleine Parzellen im Rüeggetschwiler Moos und im Nutzenbuecherwald. Aufgrund der Deponieplanung in diesem Gebiet seien sie wiederholt auch im politischen Prozess gefordert gewesen, erklärt Bühler: «Dabei sind wir alles Laien. Diesbezüglich ist es sicher auch ein Vorteil, wenn künftig Vertreterinnen und Vertreter der Pro Natura Auskunft zu den Anforderungen aus Sicht des Naturschutzes geben können.» Die Überzeugung, dass die Naturjuwelen bei der Pro Natura in besten Händen sind, habe die Vereinsauflösung einfacher gemacht. Wenig Verständnis hat Bühler dagegen für das Vorgehen der Stadt, die aus seiner Sicht «in Sachen Naturschutz extrem sparsam und zurückhaltend unterwegs ist». Dass in Gossau noch immer die Schutzverordnung aus dem Jahr 1982 Verwendung findet, spreche Bände. Dabei sei die Stadt Gossau verpflichtet, für den langfristigen Erhalt und die Pflege der Flachmoore zu sorgen. «Die Gossauerinnen und Gossauer haben von den zehntausenden Stunden Freiwilligenarbeit des Naturschutzvereins Gossau und Umgebung also gleich doppelt profitiert – als Besuchende der Naturoasen und als Steuerzahlende.»
Von Tobias Baumann