Strompreis sinkt in Gossau frühestens 2024 wieder
Stadtwerke Gossau: Strukturierte Beschaffung über drei Jahre hinweg glättet Marktpreisrisiko
Seit anfangs Jahr bezahlen Gossauer Privathaushalte rund 75 Prozent mehr für den Strom, den sie bei den Gossauer Stadtwerken beziehen. Wieso zuletzt deutlich gesunkene Preise an den Strombörsen daran vorderhand nichts ändern, erklärt Rafael Mittelholzer, Leiter Markt und Energie, im Interview.
Stadtwerke Seit 1. Januar bezahlen Gossauer Haushalte für Normallast 33.86 Rappen pro Kilowattstunde Strom und damit 14.5 Rappen mehr als noch 2022, was einer Erhöhung um rund 75 Prozent entspricht. Prozentual noch höher fällt der Anstieg für Gewerbe und Industrie aus, die als Grossabnehmer für die einzelne Kilowattstunde 2.5 bis gut 4 Rappen weniger bezahlen, nun aber ebenfalls eine Preiserhöhung um 14.5 Rappen hinnehmen mussten. Nachdem der Strompreis 2022 angesichts der drohenden Energiemangellage im Zuge des Ukrainekriegs regelrecht explodierte, fielen die Preise an den Strombörsen zuletzt fast ebenso dramatisch. Kurzzeitig war der Preis über Weihnachten sogar negativ, weil es mehr Strom gab als verbraucht wurde.
Rafael Mittelholzer, der Börsenstrompreis ist zuletzt phasenweise regelrecht eingebrochen. Weshalb spüren die Gossauerinnen und Gossauer davon nichts im Portemonnaie?
Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass die Tarife der Energieversorger für ein Jahr festgelegt werden müssen und dass unter dem Jahr keine Anpassungen erfolgen dürfen. Die Tarife müssen jeweils Ende August für das nächste Jahr publiziert werden. Wenn die Energiepreise danach steigen oder sinken, fliesst das fürs kommende Jahr nicht mehr in die Preisstruktur ein.
Dann verzeichnen die Gossauer Stadtwerke für 2023 einen grossen Gewinn, wenn die Preise jetzt so deutlich gesunken sind?
Nein, die Stadtwerke hatten den gesamten Strom für 2023 Ende 2022 bereits gekauft. Die sinkenden Preise haben aber positive Auswirkungen auf die Beschaffungen der Jahre 2024 bis 2026. Am Schluss bezahlen die Kundinnen und Kunden einen Durchschnittspreis. Das Marktpreisrisiko wird geglättet. Das ist die Idee hinter der Strategie der strukturierten Beschaffung.
Die Energiepreise in Gossau müssen jeweils durch den Stadtrat verabschiedet werden. Heisst das, die Stadtwerke müssen die Preise fürs nächste Jahr noch früher festlegen als Ende August?
Ja, das ist so. Der politische Prozess benötigt auch seine Zeit. Wobei man schon darauf achtet, dass die entsprechende Sitzung Mitte August stattfindet. So kann man noch möglichst lange auf Marktentwicklungen reagieren.
Aber was geschieht, wenn die Preise in den verbleibenden fünf Monaten des Jahres deutlich steigen oder sinken?
Dafür kennt der Regulator, die Eidgenössische Elektrizitätskommission ElCom, den Mechanismus der Deckungsdifferenzen. Wenn die Energieversorger aufgrund sinkender Preise grosse Gewinne machen, sind sie verpflichtet, diese Gewinne in den Folgejahren an die Kundschaft zurückzugeben. Machen sie aufgrund steigender Preise Verluste, dürfen sie diese ebenfalls in den Folgejahren an die Kundinnen und Kunden weiterverrechnen.
Sollten die Preise jetzt also tiefer bleiben, dürfen die Gossauerinnen und Gossauer frühestens am 1. Januar 2024 mit reduzierten Tarifen rechnen?
Genau. Allerdings darf man für 2024 noch keine Preisabschläge erwarten. Denn für 2024 haben wir ja ebenfalls Tranchen zu den hohen Preisen von 2022 gekauft.
Sind die hohen Strompreise die neue Realität, steigen diese sogar noch weiter an oder werden wir wieder billigeren Strom beziehen können?
Persönlich gehe ich davon aus, dass Preisaufschläge wie im letzten Jahr ein ausserordentliches Ereignis auf dem Strommarkt bleiben. Doch so tiefe Preise wie vor drei bis vier Jahren werden wir in naher Zukunft wohl auch nicht mehr erreichen. Die Strompreise dürften sich zwischen diesen Extremen einpendeln.
Die krassen Ausschläge beim Strompreis im letzten Jahr kamen also auch für Sie überraschend?
Ja, die kamen für die gesamte Branche überraschend. Dass der Markt so extrem reagieren würde, hat im Vorfeld niemand erwartet.
Von Tobias Baumann