Sandra Natter
«Bis jetzt läuft alles sehr gut», so die verantwortliche Gemeinderätin für das Ressort Soziales.
Im in den Bohl hinausgebauten "Sängerhüsli" (hier Tabakgeschäft Weiss) entstand die älteste Singgesellschaft der Welt, das Collegium musicum.
z.V.g.
Nächstes Jahr wird es 400 Jahre her sein, seit das Collegium musicum gegründet wurde, ein Vorläufer des heutigen Oratorienchors, der jeweils zusammen mit dem Sinfonieorchester das Palmsonntagskonzert in der St.Laurenzenkirche bestreitet. Verschiedene Jubiläumsveranstaltungen sind angesagt.
Oratorienchor Im Jahre 1620 gründeten acht schulentlassene St.Galler Knaben ein Collegium musicum, das seine Proben im sogenannten «Sängerhüsli» am Bohl abhielt. Das Gebäude, das in den Platz hineinragte, vom Collegium musicum im Jahre 1766 erworben worden war und dann lange das Zigarrengeschäft von Alfred Weiss beherbergte, steht heute nicht mehr. Es ist 1931 dem neuen Gebäude der Epa (heute Coop City) gewichen. Die musikfreundlichen Knaben sangen vierstimmige Psalmen mit Instrumentalbegleitung. Ihr Collegium musicum zählte bald 18 Mitglieder. Später, als sie zu Männern herangewachsen waren, zogen sie in das Haus zum Antlitz an der Neugasse.
Dort entstand dann allmählich die berühmte Singgesellschaft zum Antlitz, die bis 1890 bestand. Damals fand die Verschmelzung der drei Gesangvereine Frohsinn, Stadtsänger und Antlitz statt. Die Bemühungen, den Namen des uralten «Antlitzes» zu retten, fanden kein Gehör. Das weder der Frohsinn noch die Stadtsänger ihren Namen preisgeben wollten, hängte man die beiden zusammen und verband sie mit einem Bindestrich. Es entstand so die etwas seltsame Bezeichnung Stadtsängerverein-Frohsinn. Als vor hundert Jahren aus Berlin von hoher musikalischer Seite ein Glückwunschschreiben zum 300-jährigen Bestehen der nachweislich ältesten Singgesellschaft der Welt eintraf, war man in St.Gallen hocherstaunt. Man hatte längst nicht mehr an die Gründung von 1620 gedacht. Deshalb schrieb Dr. Bernhard Kobler in seiner Schrift «Aus St.Gallens Vergangenheit»: «Hätte das in Zürich oder Basel eine Feier abgesetzt, wenn sich ein dortiger Verein eines 300-jährigen Bestehens hätte rühmen können. Die St.Galler aber blieben stumm.» Später wurde aus dem Stadtsängerverein-Frohsinn der Stadtsängerverein St.Gallen und 2003 folgte die Umbenennung in den heutigen Oratorienchor St.Gallen.
Dem heutigen Oratorienchor mit 80 aktiven Sängerinnen und Sängern unter der Leitung von Uwe Münch und dem Vereinspräsidium von Ursula Frey ist eine kontinuierliche und qualitätsvolle Chorarbeit wichtig, «die alle mit Leidenschaft und Herz unterstützen», wie es im Internet-Auftritt heisst. Schwerpunkt bildet das jährlich in der St.Laurenzenkirche aufgeführte Palmsonntagskonzert, das seit 1854 durchgeführt wird, seit 1859 ohne Unterbruch jährlich. Es wird seit über 150 Jahren zusammen mit dem Sinfonieorchester St.Gallen und namhaften Solisten gestaltet. Auf dem Programm steht anspruchsvolle Chorliteratur vom Barock bis zur Gegenwart. So wird ein wichtiger Beitrag zur Musikkultur von Stadt und Region geleistet.
Nächstes Jahr sind diverse Jubiläumsveranstaltungen vorgesehen. Der Oratiorienchor möchte über den Chor hinaus viele Leute erreichen, die sich für das Chorwesen allgemein, für die musikalische Entwicklungen in 400 Jahren, aber auch für die Stadtgeschichte und ihre Einbettung im grösseren geschichtlichen Zusammenhang interessieren. Auch ist ein Jubiläumsfonds eröffnet worden, auf den für das Jubiläum reservierte Gelder einbezahlt werden können. Am Festkonzert (Palmsonntag 2020) werden die Uraufführung einer Auftragskomposition des bekannten St.Galler Komponisten Alfons Zwicker sowie das Deutsche Requiem von Johannes Brahms zu hören sein. In einem Buch, das im kommenden Frühjahr erscheint, wird umfassend über die 400 Jahre Vereinsgeschichte und die heutige Bedeutung des Chors berichtet. Eine Ausstellung im September 2020 in der «Vadiana» wird interessante Dokumente aus dem historischen Museum zeigen. ⋌we
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