Klarer Sieg für den Stadtrat
Stimmbevölkerung lehnt Initiative «Kein Sonntagsverkauf» und den Gegenvorschlag ab
Die SP und Gewerkschaften haben sich für die Initiative «Kein Sonntagsverkauf in der Stadt St.Gallen» ins Zeug gelegt, die bürgerlichen Parteien für den Gegenvorschlag votiert. Doch als Sieger geht der St.Galler Stadtrat hervor, der die Ladenöffnungszeiten im Sommer 2020 in eigener Kompetenz erweitert hatte.
Ladenöffnungszeiten «Der Stadtrat wertet das Abstimmungsergebnis als Vertrauensbeweis in seine Arbeit. Offenbar scheinen die geltenden Öffnungszeiten bei einer Mehrheit der Stimmberechtigten auf Akzeptanz zu stossen und einem Bedürfnis zu entsprechen», erklärt Stadtpräsidentin Maria Pappa zum sonntäglichen Abstimmungsresultat. Die Stimmbevölkerung hat die Initiative mit 58 Prozent Nein und den Gegenvorschlag mit 59,8 Prozent Nein bei einer Stimmbeteiligung von rund 43 Prozent deutlich abgelehnt. Die Argumente des Stadtrats hätten erfreulicherweise eine klare Mehrheit des Stimmvolks überzeugt. Die Öffnungszeiten dienten dazu, die Innenstadt zu beleben, wie dies auch im partizipativen Prozess «Forum Zukunft Innenstadt» angeregt worden sei. Weiterhin werde für die Ladenöffnung am Sonntag eine Bewilligung nötig sein, erinnert die Stadtpräsidentin: «Ohnehin sind die geltenden Öffnungszeiten als Richtschnur zu verstehen: Sie müssen nicht vollumfänglich ausgeschöpft werden. Der Schutz der Arbeitnehmenden bleibt auch in Zukunft gewährleistet.»
Dies wird von den Gewerkschaften bezweifelt. Der Kantonale und Städtische Gewerkschaftsbund St.Gallen teilt in seiner Stellungnahme zum Abstimmungsergebnis mit: «Das Initiativkomitee bedauert die Ablehnung der Initiative gegen verlängerte Ladenöffnungszeiten. Damit werden dem Verkaufs- und Reinigungspersonal massiv längere Arbeitstage zugemutet.» Der Stimmbevölkerung sei die Situation des Verkaufspersonals zu wenig bewusst. «Wir erwarten von den Sozialpartnern, dass sie sich an einen Tisch setzen und endlich die seit Jahren blockierten Verhandlungen über einen Gesamtarbeitsvertrag vorangetrieben werden», schreibt der Gewerkschaftsbund.
Belebung der Innenstadt
Patrik Angehrn, Fraktionspräsident Die Mitte/EVP im St.Galler Stadtparlament und Mitglied im überparteilichen Komitee, das sich für ein Nein zur Initiative und ein Ja zum Gegenvorschlag eingesetzt hat, hätte nicht mit diesem Ergebnis gerechnet, wie er einräumt: «Ich persönlich bin überrascht, dass weder die Initiative noch der Gegenvorschlag an der Urne eine Mehrheit geschafft hat.» Am stadträtlichen Vorschlag störten ihn persönlich die maximale Öffnungszeit am Samstag bis 20 Uhr und der Sonntagsverkauf. Andererseits erhielten die Detaillisten nun mehr Freiheiten im hart umkämpften Detailhandel, um für ihr Geschäft massgeschneiderte Öffnungszeiten vorzusehen. «Ich gehe davon aus, dass die Detaillisten verantwortungsvoll und umsichtig ihre Öffnungszeiten verlängern. Es bleibt zu hoffen, dass offene Geschäfte am Sonntag die Ausnahme bleiben», so Angehrn. Im überparteilichen Komitee engagierten sich mit Donat Kuratli und Oskar Seger auch die Präsidenten der städtischen SVP und FDP sowie Gian Bazzi, Präsident Gewerbe St.Gallen und Ralph Bleuer, Präsident Pro City St.Gallen. Angehrn schreibt aus Sicht des Komitees: «Dass nun unter der Woche die Öffnungszeiten moderat erweitert werden, begrüssen wir. Dies bringt eine notwendige Belebung der St.Galler Innenstadt mit sich und erhöht die Konkurrenzfähigkeit der Detaillisten.» Wichtig sei und bleibe, dass es sich bei den Öffnungszeiten um maximale Fristen handle. «Jedes Geschäft entscheidet für sich alleine, ob es von diesen maximalen Öffnungszeiten Gebrauch machen will oder bereits früher schliesst.»
Ralph Bleuer, Präsident Pro City St.Gallen, hält fest: «Wir sind natürlich froh, dass die Initiative durch das Stimmvolk abgelehnt wurde. Dass gleich auch noch der Gegenvorschlag nicht angenommen wurde, hat uns ein wenig überrascht, bestätigt uns aber auch, dass wir mit den vor knapp zwei Jahren geschaffenen Möglichkeiten zur Ausweitung der Ladenöffnungszeiten nicht falsch liegen und dies einem Bedürfnis der Konsumenten entspricht.»
Eine verpasste Chance
Patrik Angehrn sagt, für ihn sei unverständlich, dass die Gewerkschaften und die SP auf ihrer Maximalforderung, keine Stunde länger offen haben zu wollen, beharrt hätten. Der Gegenvorschlag habe im Stadtparlament eine klare Mehrheit erhalten. «Wäre die Initiative zurückgezogen worden, wäre nun der breit abgestützte Kompromiss mit einer Stunde mehr von Montag bis Samstag ohne Urnenabstimmung Realität geworden. Diese Chance haben die Initianten verpasst.»
Nach dem doppelten Nein bleiben nun die Ladenöffnungszeiten wie vom Stadtrat im Sommer 2020 beschlossen: Montag bis Samstag von 6 bis 20 Uhr, Sonntag von 10 bis 17 Uhr. Für Öffnungen am Sonntag braucht es allerdings eine Bewilligung des Kantons. Initiative und Gegenvorschlag hätten überhaupt keinen Sonntagsverkauf zugelassen, die Initiative hätte auch die längeren Öffnungszeiten am Abend kippen wollen.
Von Tobias Baumann