Denise Hofer
«Verknüpfung» ist eine nachhaltige und verbindende Kunstinstallation.
2025 wird der Nebelspalter 150 Jahre alt. Was hat dieser mit der Stadt St.Gallen zu tun? Sehr viel. Gegründet wurde das angeblich älteste Satiremagazin aber in Zürich, um später vom Rorschacher Verlag Loepfe-Benz aufgekauft zu werden. Diverse St.Galler haben Satiren beigesteuert, wirkten als Redaktoren und brachten die Humor-Postille zur grössten Blüte.
Humor Zuletzt war es der Stadt-St.Galler Autor Ralph Weibel, vorher «Tagblatt»-Redaktor, doch ihm wurde im August 2023 nach knapp fünf Jahren beim Nebelspalter ohne Vorzeichen gekündigt und er wurde freigestellt. «Damit keine Gerüchte entstehen», schrieb er damals im «Klein-Report», «Zu Schulden kommen lassen habe ich mir nichts. Das Magazin wird neu ausgerichtet und dies soll ohne mein Zutun geschehen.» Anders drückte sich Somm bei der Anstellung Weibels aus: «Mit seiner Erfahrung und seinen exzellenten Kontakten in der schweizerischen Comedy-Szene wird er den Nebelspalter kreativ und kompetent in die nächsten hundert Jahre führen.» Die Klärung des Nebels um diese Entlassung ist schnell gemacht: Die Postille ist nach rechts gerückt, veröffentlicht Artikel von Stefan Millius, den die Ostschweiz abserviert hat. Doch das hat keinen verlegerischen Erfolg ausgelöst. Besitzer Somm musste zugeben, dass es seinem Erzeugnis, das inzwischen nach Zürich verpflanzt worden war, nicht gut geht. Nebelspalter-Verwaltungsratspräsident Konrad Hummler sorgte hierauf für das Gegenteil eines Unken-Rufs: «Das Verschwinden des Nebelspalters wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte.»
Während 23 Jahren war der «Nebelspalter» im Besitz des Horner Verlegers Thomas Engeli. Er holte die Zeitschrift nach mehreren Verleger-Wechseln von einem Zwischenhalt in Basel in die Ostschweiz zurück. Für den grössten Erfolg sorgte aber vorher der Rorschacher Verleger Ernst-Loepfe Benz, der das Satire-Magazin 1922 übernahm, als es eine Auflage von nur noch 364 Exemplaren aufwies. 1945 waren es 30'000. Es waren zwei St.Galler Karikaturisten, die namentlich mit Kritik am Nationalsozialismus und am Kommunismus für Auftrieb sorgten: Fritz Gilsi (1878 bis 1961) und Carl Böckli (1889 bis 1970), der als Nebelspalter-Redaktor später nach Heiden übersiedelte.
Schon im ersten Erscheinungsjahr 1875 kam auch St.Gallen an die Reihe. So war zur damals in Winkeln startenden, für den Bund sehr teuren Appenzeller Bahn zu lesen: «Rufst du dem Vaterland/Sehr viel Geld aus der Hand/O Eisenbahn!/Sieh uns zur Tat bereit,/Werde schmal, werde breit/Zahlen wir jederzeit, Wer zahlen kann!/Schmerzenskind schmale Spur:/Endlich gelang die Kur/Herrlich mit Glanz/Endlich trifft man genau/Winkeln und Herisau;/Lustig nun Mann und Frau,/Lustig zum Tanz!» In der gleichen Nummer wurde auch ein Gespräch zwischen einem Thurgauer und einem St.Galler abgedruckt: «Thurgauer: In der Bundesversammlung zirkuliert eine Petition, welche den Bundesrat angeht, dafür zu sorgen, dass die katholischen Mitglieder der Eidgenössischen Räte über die Dauer der Session römisch-katholischen Gottesdienst besuchen können. St.Galler: Ja, man sagts, und ich denke, der Bundesrat wird dem Ansuchen sofort entsprechen, weil die Herren gar zu lange warten müssten, bis sie im Bundespalais beweihräuchert würden.» Als damals ein St.Galler Tierschutzverein gegründet wurde, liess der Nebelspalter den Hasenvater sagen: «Ja das lass ich mir gefallen/Künftig im Kanton St.Gallen/Ist es gut ein Hase sein.!»/Der Hasenpfarrer aber meinte: «Auf den Hasen im Reviere/Kommen Jäger drei bis viere//Lobt und preist das Menschenherz/Schiessen fünf auf einmal los,/Ei da fällt man sanft ins Moos/ Hat gar keinen Schmerz.» Im folgenden Jahr wird der St.Galler Schulbuchstreit aufs Korn genommen, den der damalige Bischof Greith entfacht hat. Der Inhalt müsste nach dem Nebelspalter lauten, um Greith zu gefallen: «Die Bibel man nicht lesen soll;/Stopf dich mit Dogmen toll und voll!/Es wird, was in der Bibel steht,/Von Zwingliketzern nur verdreht./Statt Religion – Konfession./Studier beim Pfarrer, lieber Sohn./Mit andrem Plunder kommst nicht weit./Denn schau, der Weg zur Höll’ ist breit.»
Es würde zu weit führen, allen St.Galler Spuren von 150 Jahren im Nebelspalter nachzugehen. Immerhin sei erwähnt, dass er im Jahre 1957 St.Gallen breiten Raum gewährte, als Eduard Stäubles «St.Gallen von A bis Z» veröffentlicht wurde. Zum Charakter der St.Galler führte der St.Galler Literat aus: «Tüchtig, fleissig, regsam. Ein bisschen materialistisch. Aufs Nützliche eingestellt. Luxus streng verboten. «Si müend halt äbe schaffe und nöd mölele» hat einmal ein St.Galler Kaufmann zu einem klagenden Künstler gesagt. Mölele chönned sie denn nach der Arbet wider.» Und unter «Z» steht zuletzt: «Zürich. Grosse Stadt westlich von St.Gallen. Droht in jüngster Zeit immer mehr, St.Gallens Häuserbestand und Baugrund aufzukaufen. Die Verzürcherung St.Gallens ist kein leerer Wahn.» Wiederum breiten Raum wurde St.Gallen im Jahre 1964 gewährt. Damals wurde Stäubles «Versuch einer Antwort auf die Frage, ob es einen St.Galler Humor gäbe», publiziert. Er kommt zum Schluss, dass es durchaus einen St.Galler Humor gibt. Er habe etwas vom britischen Humor. Er sei pfiffig, aber nie bösartig, lustig und manchmal etwas schrullig. Etliche Anekdoten würden den typischen St.Galler Humor spiegeln, wie etwa folgender: «Um die Jahrhundertwende war Dr. Josef Anton Kaiser (1836 bis 1913) St.Galler Regierungsrat. Er wurde einmal von einem Mitglied des Grossen Rates daran erinnert, dass man ihn nicht gerade oft im Büro antreffe. Der Erziehungschef, nicht auf den Mund gefallen, entgegnete: «Ich habe gemeint, das St.Galler Volk habe meinen Kopf gewählt und nicht meinen Hintern.» Zu den Ausführungen von Stäuble steuerte Hans Rudolf Hilty in der gleichen Nummer diverse solcher Anekdoten bei. Ein weiteres A bis Z «Von aadlech bis Zwangsvorstellung» lieferten die Journalisten Hermann Bauer und Martel Gerteis. Unter «Regen» ist hier beispielsweise zu lesen: «Den eidgenössischen Schüttstein überlassen die Sankt Galler gern den Luzernern. In löblicher Selbsterkenntnis geben sie – zumindest an der Fasnacht – jedoch zu: 'Z Sanggale isch es loschtig, z Sangalle isch es schöö, und wenns emol nöd rägnet, goht wenigschtens de Föö.'». Am Schluss steht unter «Zwangsvorstellung»: «Weit verbreitet ist die Zwangsvorstellung, man werde von 'Bern' nicht wichtig genug genommen.»
Es darf aber nicht verschwiegen werden, dass St.Gallen in der nun in fester Zürcher Hand befindlichen Gazette nicht völlig vergessen worden ist. Vor kurzem veröffentlichte Gottlieb F. Höpli, der frühere Chefredaktor des St.Galler Tagblattes, einen Beitrag bei zum schwierigen Verhältnis zwischen St.Gallen und Zürich. Er stellte darin fest, dass mit einem Besuch im Kulturmuseum die Zürcher Olmagänger ein Stück moralische Wiedergutmachung leisten für die Tatsache, dass Zürich eines der bedeutendsten Werke Jost Bürgis – den Himmelsglobus, im Landesmuseum zu bewundern – einst den St.Gallern gestohlen hat und partout nicht wiederhergeben wollte. Höpli wies aber auch darauf hin, dass sich St.Gallen, seit es grün-rot regiert wird, Zürich angenähert hat: «Höhere Parkiergebühren, auch nachts und in der Blauen Zone, Velowege anstelle bisheriger Fahrspuren, geplante Pförtneranlagen, die darauf angelegt scheinen, den Automobilisten die Fahrt in die Stadt zu vermiesen.»
Von Franz Welte
Lieber Herr Welte. Ich wurde nicht von der „Ostschweiz“ abserviert, ich war deren Gründer und Mitbesitzer und habe sie aus freien Stücken verlassen. Vielleicht sollte man solche Seitenhiebe ganz einfach unterlassen, wenn man ahnungslos ist - oder zuvor Fakten sammeln.
Stefan Millius antwortenLade Fotos..