Daniela Sprenger
Die WG Kunterbunt unterstützt Familien mit pflegebedürftigen Kindern.
Die Fallzahlen bei sexuell übertragbaren Infektionen sind stark angestiegen. Symbolbild
Am 23. April entscheidet das St.Galler Stadtparlament über die Initiative «Sex? Aber safe!», die kostenlose Tests auf sexuell übertragbare Infektionen (STI) für junge Menschen bis 30 Jahre sowie Personen mit einer KulturLegi fordert. Der Stadtrat lehnt das Begehren ab, während die Initiantinnen und Unterstützer die Notwendigkeit verstärkter Prävention betonen.
Politik Der St.Galler Stadtrat empfiehlt dem Parlament, die Initiative «Sex? Aber safe!» ohne Gegenvorschlag abzulehnen. In seiner Begründung verweist er auf bestehende Angebote, die in seinen Augen bereits eine ausreichende Grundlage für die Prävention und Bekämpfung sexuell übertragbarer Krankheiten bieten. So existieren in der Stadt verschiedene Test- und Beratungsangebote, etwa über Hausärztinnen und -ärzte, das Kantonsspital sowie durch spezialisierte Fachstellen wie die Aids-Hilfe oder die Beratungsstelle Maria Magdalena für Menschen im Sexgewerbe. Hinzu kommen städtische Angebote zur Sexualaufklärung und Prävention durch die Offene Kinder- und Jugendarbeit sowie den Schulgesundheitsdienst. Diese richten sich in erster Linie an Jugendliche unter 20 Jahren. Der Stadtrat weist darauf hin, dass Fragen der Gesundheitsvorsorge grundsätzlich in die Zuständigkeit des Kantons fallen. Eine Umsetzung des von der Initiative geforderten Angebots würde laut Berechnungen – beruhend auf Erfahrungen aus Zürich – jährlich rund 370'000 Franken kosten. Insgesamt liege der Kanton St.Gallen bei Infektionskrankheiten unter dem Schweizer Durchschnitt – wenn auch keine spezifischen Daten für die Stadt selbst vorliegen. Auch die Kantonsregierung sieht derzeit keinen Handlungsbedarf, der über das bestehende Angebot hinausgeht. Die St.Galler Regierung verweist in ihrer Antwort auf die Interpellation «Gratistests für sexuell übertragbare Krankheiten» vom 24. Oktober 2024 darauf, dass bereits gezielte Präventionsmassnahmen für besonders exponierte Gruppen wie MSM (Männer, die mit Männern Sexualverkehr haben) oder Sexarbeitende existieren. Diese umfassen sowohl Information als auch niederschwellige Impf- und Testangebote. Die Einführung eines Pilotprojekts nach Zürcher Vorbild, das Gratistests für alle unter 25 Jahren ermöglichen würde, lehnt der Kanton ab – unter anderem wegen demografischer Unterschiede und einer kritischen Einschätzung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses.
Für die Jungen Grünen St.Gallen, welche die Initiative im November 2024 eingereicht hatten, stellt die Haltung des Stadtrats ein klares Versäumnis dar. «Mit seinem Bericht zur ‘Sex? Aber safe!’-Initiative und der darin enthaltenen Empfehlung zur Ablehnung der Initiative zeigt der St.Galler Stadtrat, dass auch er tatenlos zuschauen, anstatt sich konsequent um die sexuelle Gesundheit der Bevölkerung bemühen will», kritisiert Sinah Eisenring, Stadtparlamentarierin und Co-Präsidentin der Jungen Grünen. Besonders problematisch ist aus Sicht der Initiantinnen und Initianten, dass die hohen Kosten für STI-Tests – zwischen 160 und 190 Franken – viele junge Menschen sowie Personen mit kleinem Einkommen vom Testen abhalten würden. Ein Pilotprojekt aus Zürich zeige, dass fast 60 Prozent der Teilnehmenden sich ohne das dortige kostenlose Angebot gar nicht getestet hätten. «Die hohen Kosten der Tests stellen eine riesige Hürde dar und verwehren vielen Menschen den Zugang zum Gesundheitswesen in diesem Bereich», sagt Eisenring weiter. Auch die Argumentation des Stadtrats wird von den Jungen Grünen hinterfragt. Während dieser im Bericht das Zürcher Pilotprojekt zwar erwähnt, fehlt laut Eisenring eine echte Auseinandersetzung mit dessen positiven Effekten. Zudem sei es problematisch, dass gesundheitliche Spätfolgen unbehandelter Infektionen und die dadurch entstehenden Kosten in der Stellungnahme des Stadtrats nicht thematisiert würden. Aus Sicht der jungen Grünen muss dringend gehandelt werden. Dies, weil die Verbreitung vieler sexuell übertragbarer Infektionen in den vergangenen Jahren wieder zugenommen hat. Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen, dass STI-Fälle in der Schweiz seit Anfang der 2000er-Jahre kontinuierlich zunehmen. Zwar kam es während der Corona-Pandemie kurzfristig zu einem Rückgang, doch bereits Ende 2020 waren die Fallzahlen wieder so hoch wie davor. Auch in der Präventions- und Aufklärungsarbeit bestehe dringender Handlungsbedarf. Eine Umfrage des Bundes aus dem Jahr 2023 offenbart gravierende Wissenslücken in der Bevölkerung: Weniger als die Hälfte kennt häufige STI wie Chlamydien oder Syphilis, und noch weniger wissen, wie man sich vor einer Ansteckung schützen kann. «Genau diesem Problem würde eine breite Präventionskampagne, wie sie die Initiative zusätzlich zu den kostenlosen Tests fordert, entgegengewirken», betont Eisenring.
Auch aus Fachkreisen erhält die Initiative Unterstützung. Die Aids-Hilfe St.Gallen-Appenzell, die unter anderem Test- und Beratungsangebote zur Verfügung stellt, begrüsst das Anliegen ausdrücklich. Man sehe in kostenlosen Testmöglichkeiten eine wichtige Massnahme, um Hürden für junge Menschen und sozial benachteiligte Gruppen abzubauen. Besonders für Jugendliche und junge Erwachsene könne die Möglichkeit eines anonymen Testings ohne finanzielle Belastung entscheidend sein, etwa weil sie nicht wollen, dass ihre Eltern über die Krankenkassenabrechnung von ihrem Sexualverhalten erfahren. Ein Testing ermögliche oft auch ein Beratungsgespräch auf Wunsch des Betroffenen, hält die Fachstelle fest – ein zusätzlicher Aspekt in der Gesundheitsprävention, der durch die Initiative gestärkt würde.
we/sj
Lade Fotos..