Denise Hofer
«Verknüpfung» ist eine nachhaltige und verbindende Kunstinstallation.
Allianz aus bürgerlichen Parteien und Wirtschaftsverbänden der Ostschweiz wollen die Umsetzung regionaler Strassenbauprojekte mittels Standesbegehren erzwingen.
Im November hat die Schweizer Stimmbevölkerung den Ausbauschritt 2023 für die Nationalstrassen an der Urne abgelehnt. Damit schienen auch Ostschweizer Strassenbauprojekte wie die dritte Röhre Rosenbergtunnel und der Zubringer Güterbahnhof vom Tisch. Bürgerliche Parteien und Wirtschaftsverbände aus der Ostschweiz wollen das nicht so hinnehmen.
Verkehrspolitik Am 24. November 2024 lehnte die Schweizer Stimmbevölkerung den Bundesbeschluss über den Ausbauschritt 2023 für die Nationalstrassen mit 52.7 Prozent Nein-Stimmen ab. Trotz dieses Entscheids wollen bürgerliche Parteien sowie Wirtschaftsverbände der Kantone St.Gallen, Thurgau, Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden und Schaffhausen nun eine Realisierung der Ostschweizer Strassenbauprojekte, welche im Ausbauschritt 2023 inbegriffen waren, durchsetzen. Begründung: Die fünf Kantone stimmten alle für den Ausbauschritt der Nationalstrassen. «Mit diesem klaren Votum hat die Ostschweizer Bevölkerung unmissverständlich signalisiert, dass sie hinter den geplanten Verkehrsprojekten steht. Diese umfassen die dritte Röhre des Rosenbergtunnels mit dem Zubringer Güterbahnhof in St.Gallen sowie die zweite Röhre des Fäsenstaubtunnels in Schaffhausen», sagt Donat Kuratli, St.Galler Kantonsrat (SVP). Um das Vorhaben in die nationale Politik zu tragen, werden in den Ostschweizer Kantonsparlamenten Anträge auf eine Standesinitiative eingereicht. Darin wird gefordert, dass das Projekt dritte Röhre Rosenbergtunnel mit dem Zubringer Güterbahnhof sowie die zweite Röhre des Fäsenstaubtunnels in Schaffhausen in den nächsten Ausbauschritt für die Nationalstrassen aufgenommen werden. In St.Gallen wird dieses Begehren bereits in der Frühjahrssession von sämtlichen bürgerlichen Fraktionen geschlossen in den Rat getragen. Laut Isabel Schorer, St.Galler Kantonsrätin (FDP), betreffen die Projekte in St.Gallen nicht nur die Stadt, sondern die gesamte Region. Es müssten Lösungen für die akuten Verkehrsüberlastungen gefunden werden.
Die Allianz aus bürgerlichen Parteien und Wirtschaftsverbänden begründet ihr Vorhaben zudem damit, dass die fünf Kantone bei den Investitionen ins Nationalstrassennetz einen deutlichen Rückstand aufzuholen hätten. Seit 1990 flossen lediglich rund 3,6 Prozent der schweizweiten Ausgaben für den Nationalstrassenbau in die fünf Kantone. Neben den Projekten in St.Gallen und Schaffhausen wollen die bürgerlichen Parteien und Wirtschaftsverbände deshalb noch weitere Projekte in der Region, welche im Ausbauschritt 2023 nicht inbegriffen waren, durchsetzen. So soll auch der Zubringer Appenzellerland und die Bodensee-Thurtalstrasse im Thurgau realisiert werden, um Verkehrsüberlastungen entgegenzuwirken.
Kein Verständnis für das Vorhaben der bürgerlichen Allianz haben die SP Stadt St.Gallen und die Grünen Stadt und Region St.Gallen. Sie erklären, dass die Forderungen der bürgerlichen Parteien und Wirtschaftsverbände eine Missachtung des Volksentscheids vom 24. November gleichkämen. Peter Olibet, Co-Präsident der SP Stadt St.Gallen, sagt: «Die Bevölkerung hat entschieden – und dieser Entscheid muss respektiert werden. Die Versuche, den Urnenentscheid nur drei Monate später wieder auszuhebeln, zeugen von einem bedenklichen Demokratieverständnis und von Zwängerei.» SP und Grüne vermerken, dass abweichende Abstimmungsresultate einzelner Kantone keine Rechtfertigung dafür seien, sich über einen Volksentscheid hinwegzusetzen. Zudem sei die Vorlage auch von Teilen der Region abgelehnt worden. So wurde die Vorlage sowohl von der Stadt St.Gallen mit 55 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Michael Breu, Präsident der Grünen Stadt und Region St.Gallen, betont zudem, dass sich die Schweiz mit der Annahme des Klimaschutzgesetzes im Juni 2023 dazu verpflichtet habe, die Emissionen des Verkehrs bis 2040 um 57 Prozent und bis 2050 um 100 Prozent zu reduzieren. «Der Autobahnausbau und der damit verbundene Mehrverkehr stehen in direktem Widerspruch zu diesen Zielvorgaben.»
Neben der SP und den Grünen zeigt sich auch der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) St.Gallen-Appenzell enttäuscht vom Vorgehen der bürgerlichen Parteien. Der VCS war hauptverantwortlich für die Initiierung des Referendums gegen den Ausbauschritt 2023 für die Nationalstrassen. Ruedi Blumer, Präsident des VSC St.Gallen-Appenzell, sagt: «Das ist eine unverständliche Trotzreaktion. Sie zeugt von Geringschätzung des Volkswillens, einem bedenklichen Demokratieverständnis und kommt einer Weigerung gleich, nach anderen Lösungen zu suchen.» Aus demokratischen, ökologischen und raumplanerischen Gründen sei jetzt gemeinsames Suchen nach alternativen Lösungen gefragt. Massnahmen für die Förderung von ÖV, Velo, Home-Office, Fahrgemeinschaften und flexibler Arbeitszeiten könnten laut Blumer die Spitzenzeiten während der Rushhour entlasten. Trotz harscher links-grüner Kritik am Vorhaben ist die Allianz aus bürgerlichen Parteien und Wirtschaftsverbänden überzeugt davon, das Vorhaben in den fünf Ostschweizer Kantonen durchsetzen zu können. «Da die bürgerlichen Parteien in den Parlamenten der fünf Kantone in der Mehrheit sind, sind wir sehr zuversichtlich, dass wir das Standesbegehren durchsetzen können», so Boris Tschirky, St.Galler Kantonsrat (Mitte).
Von Selim Jung
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